Untersuchungen

Wie läuft die Diagnose ab?

Den Anstoß für die diagnostische Untersuchung geben meist die Beschwerden einer Person hinsichtlich des Nachlassens ihrer kognitiven Leistungen und/oder die Beobachtungen von An- und Zugehörigen oder Bekannten hinsichtlich Veränderungen von Fähigkeiten und/oder Verhaltensweisen. An eine kurze aber strukturierte (d.h. auf Tests und Interviews gestützte) Untersuchung sollte sich eine ausführliche Prüfung anschließen. Die kurze Erstuntersuchung findet üblicherweise auf der allgemeinärztlichen Ebene statt. Die ausführliche Prüfung wird in spezialisierten Einrichtungen durchgeführt (psychiatrische oder neurologische Praxen, Universitätskliniken oder Memory-Kliniken).

Welche Informationen müssen erhoben werden?

Um eine Demenz zu diagnostizieren und sie sowohl vom normalen Altern als auch von anderen, ähnlich aussehenden Gesundheitsproblemen (Depression, Delir) abzugrenzen, müssen Informationen in folgenden Bereichen eingeholt werden:

  • Vorerkrankungen.
  • Verordnete Medikamente.
  • Kognitive Fähigkeiten.
  • Ausführung von einfachen und komplexen Alltagstätigkeiten.
  • Verhalten – vor allem Stimmung, Antrieb und soziale Beziehungen.

Für die Untersuchung von kognitiven Fähigkeiten, Alltagsaktivitäten und Verhalten gibt es zuverlässige Instrumente. Die Gewinnung dieser Information ist nicht ausschließlich eine ärztliche Aufgabe – andere Berufsgruppen wie Kranken- und Altenpflegekräfte, Sozialpädagog:innen, Ergotherapeut:innen, Stimm- und Sprachtherapeut:innen und Physiotherapeut:innen können wichtige Beiträge liefern.

Um den oder die zu Grunde liegende Ursache oder Ursachen herauszufinden, potenziell rückbildungsfähige Ursachen aufzudecken und gleichzeitig vorhandene Gesundheitsstörungen sowie Risikofaktoren zu erkennen, muss sich die Untersuchung erstrecken auf:

  • Die körperliche Verfassung der Betroffenen (internistische und neurologische Untersuchung; Abnahme von Routine-Laborwerten).
  • Strukturelle Veränderungen des Gehirns (Computertomografie – CT oder Magnetresonanz-Tomografie – MRT).

Zusätzliche Untersuchungen werden in unklaren Fällen sowie bei einem frühen Einsetzen der Symptome, familiärer Häufung von Demenz, untypischem Erscheinungsbild oder raschem Fortschreiten eingesetzt. Dazu zählen:

  • „Biomarker“ in der Hirnrückenmarksflüssigkeit (β-Amyloid und Tau).
  • Positronen-Emissions-Tomografie zum Nachweis von Veränderungen des Nervenzellstoffwechsels oder neuerdings auch von abnormen Eiweißablagerungen im Gehirn.
  • Genetische Tests.

Um einen individuellen Behandlungsplan aufzustellen, sind zusätzliche Informationen nötig über:

  • Individuelle Erfordernisse, Vorlieben, Risiken und Unterstützungsmöglichkeiten.

Kurze strukturierte Untersuchung

Zur Durchführung einer kurzen strukturierten Untersuchung stehen eine Reihe von Tests und Schätzskalen zur Verfügung. Beispiele dafür sind der Mini Mental Status Test (MMST), die Mini-Kognitions-Untersuchung (Mini-Cognitive-Assessment / Mini-Cog), der Suchtest für Gedächtnisstörungen (Memory Impairment Screen, MIS), der Demenz-Suchtest für Allgemeinärzte (General Practitioner Screening Test for Dementia, GPCOG) und die kognitive Untersuchung aus Montreal (Montreal Cognitive Assessment - MoCA). Wichtig ist, dass die Person, bei welcher der Verdacht auf eine Demenz besteht, der Untersuchung und der Befragung von Familienangehörigen oder Bekannten zustimmt. Falls die Person nicht einwilligungsfähig ist, muss ein rechtlicher Vertreter oder eine rechtliche Vertreterin das Einverständnis mit der Untersuchung geben.

Instrument

Zeitbedarf [Min]

Inhalt

MMST

10-15

Tests zu Orientierung, Gedächtnis, Benennen, Umgehen mit Objekten, Sprache, visuo-räumlichen Fähigkeiten.

Mini-Cog

≤ 5

Gedächtnistest mit 3 Fragen und Uhren-Test.

MIS

≤ 5

Gedächtnistest mit 4 Fragen.

GPCOG

≤ 10

Test mit Fragen zu Gedächtnis, Orientierung, aktuellen Ereignissen; Uhren-Test und Angehörigen-Interview.

MoCA

≤ 10

Tests zu Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Sprache, Benennen, Abstraktionsvermögen, Orientierung, exekutiven und visuo-räumlichen Fähigkeiten.

Icon Glühbirne

Die betroffene Person muss der Untersuchung zustimmen.

Die Untersuchung der Person, bei welcher der Verdacht auf eine Demenz besteht, muss ergänzt werden durch ein Gespräch mit Bezugspersonen über die Fähigkeit, Alltagstätigkeiten auszuführen. Kurze Instrumente dafür sind das Suchinterview für Demenz (Dementia Screening Interview, AD8) und die Beurteilungsskala für komplexere Alltagsaktivitäten (Instrumental Activities of Daily Living Scale, IADL).

Instrument

Zeitbedarf [Min]

Inhalt

AD8

5

8 Fragen zu Alltagstätigkeiten, Urteilsfähigkeit, Gebrauch von Werkzeugen, Vergesslichkeit und Orientierung

IADL

10-15

Fragen zu Telefongespräche führen, öffentliche Verkehrsmittel benutzen, Einkaufen, Mahlzeiten zubereiten, Haushaltsführung, Wäsche waschen, Medikamente einnehmen, finanzielle Angelegenheiten regeln

Am Ende der kurzen strukturierten Untersuchung sollte die Beratung der Betroffenen sowie ihrer Angehörigen über die Ergebnisse und Notwendigkeit weiterer Untersuchungen und/oder Nachuntersuchungen stehen.

Ausführliche Untersuchung

Das Ziel ist, die Ursache(n) der festgestellten kognitiven Leistungsabnahme und / oder Verhaltensänderung herauszufinden. An der Untersuchung können mehrere Spezialisten beteiligt sein (Neuropsychologe, Neurologe, Psychiater, Neuroradiologe). Eine gründliche Bestandsaufnahme beinhaltet meist neuropsychologische Tests, eine neurologische Untersuchung, ein umfassenderes Laborprotokoll sowie ein Computertomogramm oder Magnetresonanztomogramm des Kopfes. In bestimmten Fällen werden Biomarker (d. h. die Konzentrationen bestimmter Proteine) in der Hirnrückenmarksflüssigkeit analysiert. Die ausführliche Untersuchung sollte auch die individuellen Bedarfe, Gefahrenquellen und Unterstützungsmöglichkeiten erfassen.

Neuropsychologische Tests

Es gibt eine große Zahl von Tests, die zur Untersuchung der verschiedenen kognitiven Funktionen eingesetzt werden können (Lernen, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis, Aufmerksamkeit, logisches Denken und Problemlösen, gesprochene und geschriebene Sprache, visuo-räumliche Leistungen, Ausführung einfacher und komplexer motorischer Handlungen, sowie die Fähigkeit, Gefühlsausdrücke und soziale Interaktionen zu verstehen – soziale Kognition).

Neurologische Untersuchung

Sie umfasst den allgemeinen körperlichen und neurologischen Zustand der Person. Beispielsweise wird nach Zeichen der Parkinson-Krankheit oder eines Schlaganfalls gesucht. Ferner werden die verordneten und eingenommenen Medikamente erfragt, um Substanzen zu identifizieren, welche die kognitiven Leistungen verschlechtern, oder einen Substanzmissbrauch aufzudecken.

Routinemäßige Laborbestimmungen

Dazu gehören ein großes Blutbild, Tests der Nieren- und Leberfunktion, Vitamin- und Hormonspiegel (vor allem B12, Folsäure und Schilddrüsenhormon), um Infektionen und Stoffwechselkrankheiten zu erkennen.

Bildgebende Verfahren

Zur Darstellung von Hirnstrukturen werden die Computertomografie (CT) und die Magnetresonanztomografie (MRT) eingesetzt. Diese Verfahren eignen sich zur Erkennung von Tumoren, Infarkten (Durchblutungsstörungen), Blutungen innerhalb des Schädels und andere strukturelle Veränderungen. Sie zeigen auch Anteile des Gehirns an, die wegen eines Nervenzelluntergangs kleiner sind als normal (Atrophie). Das Muster der Größenabnahme und der durchblutungsbedingten Schäden unterscheidet sich zwischen den häufigsten Ursachen der Demenz (z. B. Alzheimer-Krankheit, Frontotemporale Degeneration, Lewy-Körper-Krankheit, Zerebrovaskuläre Krankheiten).

Die Magnetresonanztomographie kann auch eine Schädigung von Nervenfasersträngen auf Grund von Verengungen kleiner Blutgefäße nachweisen. Die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) ist ein technisches Verfahren, mit dem man die Stoffwechselaktivität von Nervenzellen und damit die Lokalisation von Hirnkrankheiten darstellen kann.

In letzter Zeit ist die Positronen-Emissions-Tomografie auch zum Nachweis der Ablagerungen von β-Amyloid und Tau im Gehirn eingesetzt worden. Durch die Darstellung dieser beiden Proteine kann die Alzheimer-Krankheit viele Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome identifiziert werden.

Biomarker in der Hirnrückenmarksflüssigkeit

Die Konzentration der Proteine β-Amyloid und Tau können in der Hirnrückenmarksflüssigkeit (Liquor) gemessen werden. Diese Flüssigkeit wird durch eine Lumbalpunktion gewonnen. Bei der Alzheimer-Krankheit haben diese Proteine ein charakteristisches Profil (gegenüber den normalen Werten erniedrigtes β-Amyloid und erhöhtes Tau). Die Biomarker eignen sich zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Ursachen der Demenz und zur Einschätzung des Demenzrisikos bei Personen, die bereits geringe kognitive Beeinträchtigungen aufweisen. Die Bestimmung von Biomarkern in der Hirnrückenmarksflüssigkeit bei Menschen ohne Symptome wird nicht empfohlen, weil der Vorhersagewert hinsichtlich des künftigen Entstehens von kognitiven Einschränkungen oder Demenz gering ist.

Genetische Tests

Man unterscheidet zwei Formen von genetischen Tests. Diagnostische Tests werden bei Personen durchgeführt, die bereits Symptome haben, um die Diagnose zu bestätigen. Prädiktive Tests werden bei Personen durchgeführt, die ein erhöhtes Risiko für eine demenzverursachende Krankheit haben (z. B. eine Familienvorgeschichte mit zahlreichen Demenzfällen), um die Wahrscheinlichkeit der künftigen Entwicklung einer Demenz zu bestimmen. Für die Planung und Durchführung von prädiktiven Tests gibt es genaue Vorschriften.

Grafik:

Links: Mutationen an drei Stellen des menschlichen Erbgutes rufen die familiär vererbte Alzheimer-Krankheit hervor (Amyloid-Vorläufer-Protein, APP; Präsenilin 1, PSEN1; Präsenilin 2, PSEN2). Sie sind für weniger als 1% aller Fälle von Alzheimer-Krankheit verantwortlich. Alle Mutationen erhöhen die Produktion von β-Amyloid im Gehirn.

Rechts: Es gibt mehrere genetische Varianten (Polymorphismen), welche die Krankheit zwar nicht verursachen, aber die individuelle Anfälligkeit dafür erhöhen. Die Funktionen der entsprechenden Gene beziehen sich auf Fettstoffwechsel, Regulierung von Immunvorgängen und Transportmechanismen innerhalb von Zellen. Der stärkste dieser genetischen Risikofaktoren ist die ε3-Form des Gens für Apolipoprotein E (APOE).

Therapeutische Entscheidungen und Behandlungsplanung

Am Ende der ausführlichen Untersuchung stehen Entscheidungen über die Diagnose und über geeignete nicht-pharmakologische und pharmakologische Therapieverfahren. Idealerweise sollte eine Besprechung unter Einbeziehung der an den Untersuchungen beteiligten Fachleuten, der Person mit Demenz und den versorgenden Angehörigen stattfinden, um Bedarf, Pläne und Unterstützungsmöglichkeiten der betroffenen Person und ihrer Familie zu erheben und einen individuellen, um die Person zentrierten, Behandlungsplan zu erstellen.

Quellen und weiterführende Literatur