Überblick Behandlung von Demenz

Wann und durch wen sollte die Behandlung begonnen werden?

Die Behandlung sollte möglichst unmittelbar nach der Feststellung der Diagnose und der Aufklärung darüber beginnen. Dazu müssen die Betroffenen und ihre Angehörigen an die passenden Einrichtungen vermittelt werden. Idealerweise sollte ein medizinischer beziehungsweise eine medizinische oder sozialer Experte beziehungsweise soziale Expertin (zum Beispiel der Hausarzt oder die Hausärztin) benannt werden, der oder die die Koordination der Versorgung übernimmt. Der Koordinator oder die Koordinatorin sollte sich ein Bild von den individuellen Lebensumständen und Bedürfnissen machen, die Person mit Demenz und ihre Angehörigen über die verfügbaren Unterstützungsmöglichkeiten sowie entsprechenden Zugangswege informieren, und jemand vorschlagen, der oder die die Versorgung in die Hand nimmt und der Person mit Demenz bei Entscheidungen hilft. Der oder die Koordinator:in sollte einen Behandlungs- und Versorgungsplan aufstellen, in dem die Mitglieder eines multidisziplinären Teams sinnvoll zusammenwirken. In einer passenden Situation, möglichst rasch nach der Aufklärung über die Diagnose, sollte der oder die Koordinator:in entscheidungsfähige Menschen mit Demenz dazu anregen, ihre Wünsche bezüglich der künftigen Behandlung und Versorgung in einer Vorsorgevollmacht und einem Patiententestament niederzulegen.

Erfahren Sie mehr über den Behandlungsplan im Abschnitt „Geplante und vorausschauende Versorgung“ im Modul CONNECT.

Was umfasst die Behandlung einer Demenz?

Zur Behandlung eines Menschen mit Demenz gehören pharmakologische Therapie, nicht-pharmakologische Interventionen und die Unterstützung der Angehörigen.

Pharmakologische Therapie

Zu den krankhaften Vorgängen im Gehirn bei der Alzheimer-Krankheit gehören auch biochemische Veränderungen. Die wichtigsten betreffen Überträgerstoffe, mit denen die Nervenzellen untereinander kommunizieren (Neurotransmitter). Die Konzentration des Überträgerstoffs Acetylcholin ist vermindert, die des Überträgerstoffs Glutamat dagegen erhöht. An diesen Veränderungen setzen die derzeit wirksamsten Medikamente zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit an. Sie vermindern den Abbau von Acetylcholin durch Blockade des Enzyms Acetylcholinesterase (Cholinesterasehemmer: Donepezil, Galantamin, Rivastigmin) oder blockieren teilweise die Aktivität von Glutamat (Glutamatrezeptormodulator, Memantin). Diese Substanzen werden als Antidementiva bezeichnet.

Cholinesterasehemmer werden auch zur Behandlung der Demenz bei der Lewy-Körperkrankheit eingesetzt und haben möglicherweise günstige Effekte bei der zerebrovaskulären Demenz. Bei der Behandlung der frontotemporalen Demenz konnte weder für Cholinesterasehemmer noch für Memantine eine Wirkung nachgewiesen werden.

Obwohl Cholinesterasehemmer und Memantine eine begrenzte Wirkung auf die Symptome der Demenz haben, sind diese Substanzen nicht in der Lage, die Demenz zu heilen oder den zugrunde liegenden Krankheitsprozess aufzuhalten. Sie können unerwünschte Wirkungen haben, die in der Regel moderat sind.

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Die gegenwärtigen Antidementiva (Cholinesterase-Inhibitoren, Memantin) sind wirksam aber sie heilen die Demenz nicht.

Gegenwärtig werden neue Substanzen zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit erprobt. Ein wichtiger Wirkmechanismus ist die Entfernung von fehlerhaft verarbeiteten und daher abgelagerten Eiweißstoffen (β-Amyloid, Tau) aus dem Gehirn mit Hilfe von synthetischen Antikörpern. . Die Behandlung mit dem Antikörper reduziert zwar die Menge der β-Amyloid-Ablagerungen, der damit verbundene klinische Nutzen ist jedoch noch nicht eindeutig belegt.

Die Wirksamkeit einer Reihe von anderen Substanzen bei Menschen mit Demenz ist umstritten; darunter Antioxidantien, Nootropika, Ginkgo-Extrakte, Ginseng und andere pflanzliche Zubereitungen, sowie Vitamin E. 

Wenn Verhaltensänderungen (z. B. Unruhe, Sinnestäuschungen, Aggressivität) ein störendes Ausmaß erreichen oder zur Gefahr für den Demenzkranken, seine Angehörigen oder das Pflegepersonal werden, kommen andere Medikamente zum Einsatz, vor allem atypische Neuroleptika und Antidepressiva. Aufgrund ihrer erheblichen Nebenwirkungen und gesundheitlichen Risiken müssen diese Substanzen sehr vorsichtig eingesetzt werden. Die wirksamsten Medikamente zur Verhaltensänderung sind wiederum in der Regel Antidementiva.

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Die Medikamente zur Behandlung von Verhaltensänderungen sind mit erheblichen Nebenwirkungen und Risiken verbunden.

Die Erwartungen an die medikamentöse Behandlung sowie deren Nutzen und Risiken sollten mit der Person mit Demenz und ihren Angehörigen besprochen werden. Bei der Wahl der Behandlung müssen verschiedene Aspekte wie Alter, allgemeiner Gesundheitszustand, Krankheitsgeschichte, Schweregrad der Demenz, Lebensgewohnheiten und persönliche Vorlieben berücksichtigt werden. Die Medikation muss regelmäßig überprüft werden, da einige häufig verschriebene Substanzen die kognitiven Symptome einer Demenz verstärken können.

Nicht-pharmakologische Interventionen

Die derzeit zur Verfügung stehenden pharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten verbessern die Symptome der Demenz nur in geringem Maße und wirken häufig nicht ausreichend auf Verhaltensänderungen (Antriebslosigkeit, Aggressivität, Tag-Nacht-Umkehr usw.).

Um die Lebensqualität von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu erhalten oder zu verbessern, muss die medikamentöse Behandlung durch nicht-pharmakologische Interventionen ergänzt werden. Gedächtnistraining, Ergotherapie und körperliche Aktivität verbessern kognitive Fähigkeiten, Alltagsaktivitäten und Verhaltensänderungen.

Nicht-pharmakologische Interventionen sind kostengünstig, haben keine Nebenwirkungen und können sowohl durch fachliche Expert:innen oder andere Gesundheitsberufe als auch durch ausgebildete Laien angewendet werden.

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Kognitive Stimulation, Ergotherapie und körperliche Aktivität sind die wichtigsten nicht-pharmakologischen Behandlungsformen.

Die wichtigsten nicht-pharmakologischen Behandlungsformen

Umgebungsanpassung und technische Hilfen

Weitere Beispiele für nicht-pharmakologische Interventionen, die zur Lebensqualität von Menschen mit Demenz beitragen und gleichzeitig die Angehörigen entlasten, sind Anpassungen der Umgebung und der Einsatz von technischen Hilfen. Diese Maßnahmen können dafür sorgen, dass Menschen mit Demenz länger in ihrer eigenen Wohnung bleiben können.

Das Spektrum der Wohnraumanpassung und technischen Hilfen reicht von einfachen „Low-Tech“-Vorrichtungen wie Orientierungshilfen (Kalender, Notizzettel etc.), Haltegriffen, Handläufen , Beleuchtung, Farben, erhöhte Toilettensitze, Badewannenbänke, Medikamentenspender, Armbänder oder Halsketten mit Namensgravur bis hin zu aufwendigen „High-Tech“-Geräten wie sprach-gesteuerte Computer, Bettenlifte, Sensoren, Mobiltelefone mit GPS (Global Positioning System), die eine Person mit Demenz auffinden können, wenn sie sich verirrt hat (nur mit Zustimmung der betroffenen Person bzw. der vorsorgebevollmächtigten Person).

Unterstützung der Angehörigen

Die Betreuung eines Menschen mit Demenz bedeutet eine enorme Belastung für versorgende Familienmitglieder und führt oft zu seelischer und körperlicher Erschöpfung, manchmal auch zu erheblichen finanziellen Engpässen. Die Beratung von Angehörigen und die Unterstützung durch die Gemeinde kann die Not lindern und einer Überforderung entgegenwirken. Örtliche oder regionale Gruppierungen der Alzheimer Gesellschaft spielen eine wichtige Rolle durch Beratungs-, Trainings-, Fortbildungs- und Unterstützungsangebote für versorgende Angehörige. Tagesstätten für Menschen mit Demenz können eine große Entlastung darstellen.

Literatur

  • Birks J. Cholinesterase inhibitors for Alzheimer's disease. Cochrane Database Syst Rev CD005593, 2006
  • Cammisuli DM, Danit S, Bosinelli F, Cipriani G. Non-pharmacological interventions for people with Alzheimer’s disease: A critical review of the scientific literature from the last ten years. Eur Geriatr Med 7: 57–64, 2016
  • How CH, Koh LH. Not that way: Advance care planning. Singapore Med J 56: 19–22, 2015
  • McShane R, Areosa Sastre A, Minakaran N. Memantine for dementia. Cochrane Database Syst Rev: CD003154, 2006