Nicht-pharmakologische Therapien

Die pharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten müssen durch nicht-pharmakologische Therapieformen ergänzt werden. Deren Beiträge zur Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität sind:

  • Verbesserung oder Stabilisierung von Alltagsfähigkeiten.
  • Kompensation von Defiziten.
  • Verbesserung der Kommunikation.
  • Milderung von herausforderndem Verhalten.
  • Schaffung einer sicheren und förderlichen Umfeldes.
  • Sicherstellung des physischen, psychischen und spirituellen Wohlbefindens.
  • Beratung und Unterstützung der betreuenden und pflegenden Angehörigen.

Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass einige Symptome der Demenz, insbesondere problematische Verhaltensweisen (z. B. Antriebslosigkeit, Unruhe, Reizbarkeit, Überaktivität), häufig auf unbefriedigte Bedürfnisse, unangemessene Kommunikation, Einsamkeit und Langeweile zurückzuführen sind, also auf veränderbare Ursachen.

Welche Arten von nicht-pharmakologischen Interventionen gibt es?

Anhand ihrer Ziele und Strategien kann man mehrere Formen von nicht-pharmakologischen Interventionen unterscheiden. 

Kognitives Training oder Gedächtnistraining

Angeleitetes Üben von Aufgaben, die sich auf bestimmte kognitive Funktionen wie Gedächtnis, Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung oder visuell-räumliche Fähigkeiten beziehen. Kognitives Training kann auch das Erlernen von Gedächtnisstrategien (Mnemotechniken) beinhalten und kann sowohl in Einzel- als auch in Gruppenform durchgeführt werden. Ziel der kognitiven Stimulation ist die allgemeine Förderung kognitiver und sozialer Funktionen.

Erinnerungstherapie oder Biographiearbeit

Hier geht es um die Erinnerung an Ereignisse aus dem eigenen Leben. Typischerweise hat Erinnerungstherapie die Form von wöchentlichen Gruppentreffen, bei denen die Teilnehmer:innen dazu ermuntert werden, über frühere Ereignisse zu berichten. Häufig werden Fotos, Musikstücke oder Haushaltsgegenstände als Stimulans eingesetzt. “Biografiebücher” sind individuelle Zusammenstellungen von lebensgeschichtlich bedeutsamen Ereignissen mit Hilfe traditioneller oder elektronischer Medien.

Stimm- und Sprachtherapie

Sprach- und Sprechübungen zur Verbesserung der verbalen und nonverbalen Kommunikation. Stimm- und Sprachtherapeut:innen werden häufig auch zur Behandlung von Schluckbeschwerden hinzugezogen.

 Funktionsbezogene Interventionen

 Ergotherapie

Sie bezieht sich auf einfache und komplexe Aktivitäten des täglichen Lebens wie Lernen, Arbeit, Haushalt, Spiel und soziale Aktivitäten. Ergotherapeut:innen unterstützen Menschen mit Demenz dabei, so lange wie möglich aktiv und unabhängig zu bleiben. Sie kümmern sich um die Haushaltsführung, die Zubereitung von Mahlzeiten, das Einkaufen, die Mobilität, die Regelung finanzieller Angelegenheiten und die Kommunikationsmöglichkeiten. Ergotherapeut:innen können technische Hilfsmittel einsetzen.

 Technische Hilfen

Ihre Ziele sind, ein gesundes und sicheres Wohnumfeld zu schaffen, die Selbständigkeit von Menschen mit Demenz zu erhalten, pflegende Angehörige zu entlasten, die kognitive Leistungsfähigkeit von Menschen mit Demenz zu erhalten, ihre Lebensqualität zu verbessern und die Aufnahme in stationäre Pflegeeinrichtungen hinauszuzögern. Technische Hilfen für Menschen mit Demenz umfassen Sicherheitssysteme, Gedächtnishilfen, Geräte zur Förderung von Kontakt und Kommunikation, Geräte zur Unterstützung alltäglicher Aktivitäten, Technik für Spaß und Spiel sowie Trainingsprogramme für Gesundheitsberufe. Virtual Reality und Augmented Reality sind wichtige Entwicklungsfelder.

Anpassung der Umwelt

Eine demenzfreundliche Umgebungsgestaltung / -anpassung kann sich auf Beleuchtung, Böden, Treppen, Möbel, Vertrautheit der Umgebung, Anordnung von Gegenständen, Geräuschpegel oder Orientierungshilfen beziehen.

  Emotionsbezogene Interventionen

Musiktherapie, Tanztherapie, Kunsttherapie

Musik hören oder spielen; kreative Tätigkeiten.

Validierung

Empathie; Anerkennung der subjektiven Weltsicht von Menschen mit Demenz.

Aromatherapie, multi-sensorische

Stimulation

Verwendung von Aromaölen zur Entspannung und Schlafförderung; Anregung der verschiedenen Sinne durch Licht, Farben, Berührungen, Gerüche und Geräusche.

 Körperbezogene Interventionen

Körperliche Übungen

Die Übungen müssen an die körperlichen Fähigkeiten der Person mit Demenz angepasst werden. Angestrebt werden 30 bis 45 Minuten körperliche Aktivität mittlerer Intensität mit Übungen für Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Gleichgewicht.

 Angehörigenbezogene Interventionen

Angehörigengruppen

Sie zielen darauf ab, die Fähigkeiten pflegender Angehöriger im Umgang mit Demenz zu stärken. Meistens kombinieren solche Programme Informationen über Demenz mit praktischen Problemlösungen, insbesondere Verhaltensänderungen, Stressabbau und Beratung zu rechtlichen und finanziellen Fragen.

In welchem Stadium der Demenz sollen nicht-pharmakologische Interventionen angewandt werden?

Die verschiedenen Formen nicht-pharmakologischer Interventionen sind in bestimmten Stadien der Demenz besonders angezeigt. Im Stadium der leichten Demenz bieten Behandlungsformen zur Verbesserung der kognitiven Funktionen und zur Erhaltung der Aktivität den größten Nutzen. Im Stadium der schweren Demenz stehen nicht-pharmakologische Strategien, die zum Wohlbefinden der Menschen mit Demenz beitragen, im Vordergrund. Körperliche Aktivität, technische Hilfsmittel und die Unterstützung der Angehörigen sind während des gesamten Verlaufs der Demenz wichtig.

Wie wirksam sind nicht-pharmakologische Behandlungsformen?

Kognitionsbezogene Interventionen

Kognitive Stimulation

Kognitive Stimulationsprogramme verbessern die kognitiven Fähigkeiten von Menschen mit leichter bis mittelschwerer Demenz zusätzlich zur Wirkung von Medikamenten. Darüber hinaus verbessert die kognitive Stimulation die selbst eingeschätzte Lebensqualität und das Wohlbefinden sowie die von Pflegenden eingeschätzte Kommunikation und die sozialen Kontakte. Sie hat keinen Einfluss auf Stimmung, Alltagsaktivitäten, Verhaltensänderungen oder die Belastung der pflegenden Angehörigen. Computergestützte Formen der kognitiven Stimulation sind ebenso wirksam wie traditionelle Formen.

Kognitives Training

Bei Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung hat computergestütztes kognitives Training geringe bis mäßige Effekte auf die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit, die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis. Bei Menschen mit Demenz sind die Effekte auf die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit gering. Das Fehlen besserer Ergebnisse könnte methodische Gründe haben. Möglicherweise werden einige Effekte durch die verwendeten Erhebungsinstrumente nur unzureichend abgebildet.

Erinnerungstherapie

Bei Menschen mit Demenz zeigt die Erinnerungstherapie geringe Effekte auf kognitive Fähigkeiten und moderate Effekte auf depressive Symptome.

Stimm- und Sprachtherapie

Sie kann Menschen mit den sprachlichen Varianten der Frontotemporalen Demenz (primäre nicht-flüssiger Aphasie; semantische Demenz) helfen, besser mit ihren sprachlichen Schwierigkeiten umzugehen und alternative Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen.

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