Auswirkungen von Demenz

Was bedeutet es, wenn die kognitiven Fähigkeiten nachlassen, wenn alltägliche Aufgaben zunehmend Schwierigkeiten bereiten, und wenn sich die persönlichen Beziehungen verschieben – für Menschen mit Demenz und für ihr direktes Umfeld?

Demenz hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Betroffenen und ihr Umfeld. Gesundheitsexpert:innen können besser unterstützen, wenn sie die Erfahrungen von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen verstehen. Die Herausforderungen beginnen bereits vor der Diagnose und erfordern eine ganzheitliche Sichtweise, die über medizinische Symptome hinausgeht.

 

Persönliche Auswirkungen von Demenz

Demenz geht mit vielfältigen Veränderungen der Emotionen, der Beziehungen, der Kommunikation, der Kompetenzen, der Autonomie usw. einher. Sie wirkt sich auf das Selbstvertrauen, den sozialen Status und die persönliche Identität aus.

Emotionale Folgen: 
Demenzsymptome können psychische Abwehrmechanismen wie Verleugnung, Bagatellisierung und Schock auslösen, um Belastungen für das Selbst abzubauen. Die Diagnose kann Angst, Depression und Verzweiflung auslösen. Sie kann aber auch Klarheit und Erleichterung bringen. Unterstützung bei der Bewältigung dieser emotionalen Herausforderungen ist wichtig.

Selbstwertgefühl:
Die eingeschränkte Fähigkeit, Aufgaben zu bewältigen, die Veränderung von Rollen und der Verlust des Selbstwertgefühls sind verständliche Reaktionen auf Demenz. Die öffentliche Stigmatisierung kognitiver Einschränkungen verschärft die Situation.

Persönliche Identität:
Die persönliche Identität basiert auf Erinnerungen, sozialen Interaktionen und aktuellen Aktivitäten. Mit fortschreitender Demenz verschwinden diese Quellen allmählich und das Selbstbild kann sich in verzerrte Fragmente verwandeln. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass ein gewisses Maß an persönlicher Identität erhalten bleiben kann.

Wie Personen mit Demenz unterstützt werden können

Rollen und Beziehungen:

Demenz verändert familiäre und freundschaftliche Beziehungen. Familiäre Aufgaben verschieben sich und die Betroffenen müssen oft eine weniger aktive Rolle akzeptieren. Psychologische Einzel- oder Familienberatung kann helfen, Veränderungen zu akzeptieren und neue Rollen zu finden.

Unterstützen Sie die Entscheidungsfähigkeit und suchen Sie nach Möglichkeiten, die Rechte der Person zu wahren. Einfühlungsvermögen und Verständnis sind entscheidend. Individuelle Psychotherapie oder Selbsthilfegruppen können helfen, Veränderungen zu akzeptieren und neue Rollen zu finden.

Kompetenz und Selbstständigkeit:

Mit dem Nachlassen der kognitiven Fähigkeiten verschlechtern sich bestimmte Kompetenzen wie Entscheidungsfähigkeit, Zustimmung zu Behandlungen, Autofahren, finanzielle Angelegenheiten und Haushaltsführung. Dies wirkt sich auf die persönliche Autonomie und das Selbstwertgefühl aus. Die Einschränkung von Kompetenzen birgt Risiken, erfordert aber auch den Schutz der Person und ihres sozialen Umfelds. Als hilfreich erweist sich dabei Unterstützung bei wichtigen Aktivitäten, Betonung der Ressourcen und die Anerkennung der erhaltenen Fähigkeiten und Erfolge.

Nutzen Sie die Lebensgeschichte, um das Selbst der Person zu unterstützen, z.B. durch Erinnerungstherapie oder ein Biografiebuch.

Rechtliche Aspekte:

Mit fortschreitender Demenz nimmt die Entscheidungsfähigkeit in finanziellen, gesundheitlichen und persönlichen Angelegenheiten ab. Bei leichter bis mittelschwerer Demenz können Menschen oft noch Entscheidungen treffen. Entscheidungsunfähigkeit sollte erst bei schwerer Demenz angenommen werden. Unterstützte Zustimmung und die Unterstützung bei der Entscheidungsfähigkeit sind der stellvertretenden Zustimmung vorzuziehen.

Unterstützen Sie die Entscheidungsfähigkeit und suchen Sie nach Möglichkeiten, die Rechte der Person zu wahren.

Auswirkungen auf das soziale Umfeld

Angehörige von Menschen mit Demenz sind bekanntlich durch die Betreuung und Pflege besonders belastet. Sie klagen über Gefühle wie Überforderung, Unverständnis, Schuldgefühle und Wut. Oft übernehmen sie die Rolle der Hauptpflegeperson, was zu Stress, Isolation und finanziellen Problemen führen kann.

Veränderungen und Konflikte: Die Verschiebung von Rollen und Verantwortlichkeiten kann zu Spannungen in der Familie führen. Erwerbstätige pflegende Angehörige müssen möglicherweise ihre Erwerbstätigkeit reduzieren oder aufgeben, erhalten aber oft wenig Unterstützung von ihrer Gemeinschaft.

Stressfaktoren: Frauen sind häufiger als Männer pflegende Angehörige und daher stärker belastet, aber auch gesundheitliche Probleme und schwierige soziale Beziehungen erhöhen das Belastungsrisiko pflegender Angehöriger. Problematische Verhaltensweisen der Demenzkranken, insbesondere Depression, Unruhe, Aggressivität und Antriebslosigkeit, stellen die Hauptquelle von Belastungen dar.

Unterstützung des sozialen Umfelds

Zusammenarbeit: Die Versorgung eines Menschen mit Demenz erfordert einen umfassenden Plan, der das Zusammenwirken von Mediziner:innen, anderen Gesundheits- und Sozialberufen und der Familie bzw. von An- und Zugehörigen einschließt. Die Inanspruchnahme professioneller Hilfe kann die Versorgung erheblich erleichtern und die Auswirkungen der Demenz auf das soziale Umfeld verringern.

Vermittlung von Wissen und Kompetenzen: Ausreichendes Wissen und angemessene Fertigkeiten über Demenz, insbesondere über Symptome, Verlauf und den Umgang mit herausforderndem Verhalten, sind entscheidend für eine effektive und nachhaltige Betreuung und Pflege.

Unterstützung: Wirksame Formen der Unterstützung für pflegende An- und Zugehörige sind Psychoedukation, Kommunikationstraining, Achtsamkeitstraining und Stressbewältigung. 

Icon Sorgen

Beispiele

Bei Herr Schmid wurde vor kurzem eine Demenz diagnostiziert. Er macht sich Sorgen, was mit ihm geschieht, wenn er nicht mehr in der Lage ist, seine Wünsche zu äußern und Entscheidungen über sein Leben zu treffen. Mit Hilfe seiner Familie hat er eine Vorsorgevollmacht erstellt und aufgeschrieben, was ihm wichtig ist und worauf seine Familie in einem solchen Fall achten soll.

Frau Huber war mit der neuen Rolle als Versorgerin ihrer Mutter überfordert. Sie kämpfte nicht nur mit eigenen Emotionen, sondern mit der Ungewissheit und dem Fehlen an Informationen. Eine Fachärztin erklärte ihr die Diagnose und vermittelte sie an eine Beratungsgruppe für Angehörige von Personen mit Demenz, die durch eine Psychologin geleitet wurde. Dadurch gewann sie eine Menge an Zuversicht.

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